Die Geschichte der Kinderklinik von 1925 bis heute

Ein Rückblick auf rund 80 Jahre

Am 25. November 2015 feierte die Kinderklinik ihr 80-jähriges Bestehen. Ein Anlass, der einen Rückblick auf die Geschichte der Klinik nahelegt – eine Geschichte, deren erste Hälfte durch wirtschaftliche und politische Schwierigkeiten, die zweite Hälfte durch eine Explosion des Wissens und durch eine Revolution im Bereich des Gesundheitswesens gekennzeichnet ist.

Historischer Rundgang

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Gründung der Klinik

Der Beginn war fast zufällig: Ein Hebammengesetz von 1922 setzte fest, dass nur Einrichtungen, die eine qualifizierte Ausbildung in Säuglingspflege gewährleisteten, auch die Genehmigung erhielten, Hebammen auszubilden. Deshalb beschloss der Provinzialverband, der damalige Träger der Hebammenlehranstalt Bochum ein Säuglingsheim zu bauen. Dieses Säuglingsheim wurde am 1. November 1925 fertiggestellt. Es hatte 96 Betten für Säuglinge und 74 Betten für Ammen, stillende Mütter und Personal. Betten für kranke Säuglinge waren vorgesehen, ebenso eine Arztstelle. Diese wurde jedoch erst im Jahre 1930 mit Frau Dr. Fleischhauer besetzt. 1933 wurde Herr Dr. Max Ballas als Oberarzt Nachfolger des gynäkologischen Oberarztes Dr. Stork, der bis dahin die Leitung des Heimes hatte. Gleichzeitig mit der Säuglingsklinik wurde die Ausbildung von Kinderkrankenschwestern institutionalisiert. So wurden von Anbeginn Säuglingsschwestern ausgebildet.

Krankenversorgung

Die Diagnostik und Therapie kranker Säuglinge und Kinder kam erst Ende der 30er Jahre und gegen viele Widerstände in Gang, nachdem die Stadt Bochum sich bereit erklärt hatte, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Erst danach wurde es möglich, ein Labor und eine Röntgeneinrichtung anzuschaffen und eine technische Assistenz für diesen Bereich einzustellen. Der Behandlungsbedarf war riesengroß und die Statistik der damals betreuten Kinder erschreckend. Die durchschnittliche Liegedauer betrug 26 Tage. 23 Prozent der im Jahr 1942 behandelten 744 Kinder starben während der Behandlung in der Klinik, wobei die Sterblichkeit der Neugeborenen 42 Prozent, die der Säuglinge 53 Prozent betrug. Jedes 10. Kind, das wegen einer Lungenentzündung behandelt wurde, verstarb, ebenso jedes 10. Kund, das wegen einer Durchfallerkrankung eingeliefert wurde.

Kriegsjahre

Die Kriegsjahre brachten eine schwierige Situation für die Kinderklinik mit sich. Der Oberarzt Dr. Ballas wurde zur Marine eingezogen. Bombenschäden zwangen dazu, die Klinik aufzugeben und mit Patienten und allen Mitarbeiterinnen nach Niedermarsberg im Sauerland umzuziehen, wo die Kinderklinik bis 1949 blieb. In den Jahren dazwischen wurde die Kinderklinik von der Abteilung für Innere Medizin der Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten Bergmannsheil benutzt, die durch Bombenschäden praktisch nicht mehr zu benutzen waren. Erst in diesem Jahr - 1949 - war die Rückverlegung der Kinderklinik möglich, nachdem der Wiederaufbau des Bergmannsheil so weit gediehen war, dass die Innere Medizin zurückkehren konnte. Der langjährige Leiter der Säuglingsklinik, Dr. Ballas, schied 1951 wegen Erreichens der Altersgrenze aus. Sein Nachfolger wurde Dr. habil. Erich Püschel. Er führte die Bezeichnung "Säuglings- und Kinderklinik" ein.

Amtszeit Püschel

In den folgenden Jahren mussten so viele Kinder aufgenommen werden, dass die zur Verfügung stehenden 135 Betten ständig überbelegt waren. In den Jahren bis 1962 mussten im Durchschnitt bis zu 50 Prozent der Kinder abgewiesen und in die Nachbarstädte Dortmund, Essen und Datteln verlegt werden. Erst 1963 konnte ein neu erbautes Infektionshaus in Betrieb genommen werden, das zusätzliche 80 Betten bot. 1963 wurde ein Schwesternwohnheim mit 106 Betten fertiggestellt. Dies wurde durch die Verlängerung der Ausbildungszeit für Kinderkrankenschwestern ebenso wie durch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 53 Wochenstunden im Jahr 1951 bis auf 41 Wochenstunden im Jahr 1970 notwendig, so dass sehr viel mehr Schwestern benötigt wurden. Erst 1960 wurde die Kinderklinik der Frauenklinik gleichgestellt und Prof. Erich Püschel wurde mit dem Direktor der Frauenklinik gleichberechtigt. In den folgenden 12 Jahren - bis zum Ende der Amtszeit von Prof. Püschel - änderte sich die Kinderheilkunde grundlegend. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Kinderlähmung oder Diphterie waren rückläufig oder verschwanden. Andere, insbesondere neurologische Erkrankungen und Leukämien wurden behandelbar und bekamen somit Bedeutung.

Aufnahme ins Bochumer Modell

Im Jahre 1972 wurde Privatdozent Dr. Mietens Leiter der Kinderklinik. In seine Amtszeit fielen die Entwicklung der modernen Neugeborenen-Intensivmedizin, die Zunahme allergischer Erkrankungen, insbesondere aber die Öffnung der Kinderkliniken nach außen: Besuchszeiten wurden nicht mehr beschränkt, Eltern konnten mit ihren Kindern aufgenommen werden. Mutter-Kind-Einheiten mussten geschaffen werden. Die Diagnostik und Behandlung wurde durch die Fortschritte der Medizin immer effektiver, die Liegezeiten immer kürzer. Herausragendes Ereignis war die Einbeziehung der Kinderklinik ins Bochumer Modell im Jahre 1977. Ihre Bezeichnung war nun Universitätsklinik. Sechs Jahre später wurde die Klinik in die Trägerschaft der St. Elisabeth-Stiftung übernommen und damit Teil des St. Josef-Hospitals. Professor Mietens starb nach 17 schwierigen Amtsjahren viel zu früh im Alter von 57 Jahren. In den folgenden zwei Jahren bis 1992 wurde die Klinik kommissarisch von Frau Oberärztin Dr. Sperling geleitet.

1992 - 2008

Von 1992 bis März 2008 wird die Kinderklinik, jetzt Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, von Prof. Dr. Christian Rieger geleitet. In diesen Jahren gab es weitere wichtige Entwicklungen: Die neonatologische Intensivstation im St. Elisabeth-Hospital wurde gebaut. Hierdurch konnte die Betreuung Frühgeborener signifikant verbessert werden. Die Zahl insbesondere sehr kleiner Frühgeborener unter 1000 Gramm Geburtsgewicht vervielfacht sich. Die Diagnostik von Erkrankungen des Atemtraktes, einschließlich Mukoviszidose, wurde entwickelt. Moderne Methoden der Lungendiagnostik einschließlich Lungenspiegelung und Immundiagnostik wurden eingesetzt. Die Kinderklinik begann mit der weit-überregionalen Diagnostik und Betreuung von Patienten mit Muskelkrankheiten. Sie wurde ein Teil des Muskelzentrums Ruhrgebiet. Als weitere Schwerpunkte entwickelten sich die Gastroenterologie, die Schlafmedizin, die Diagnostik und Therapie entwicklungsgestörter Säuglinge sowie die Diabetologie. Ausgebaut wurde die seit Jahren bereits bestehende Intensivbehandlung von schwerbrandverletzten Kindern. Insbesondere durch die Hilfe der Elisabeth-Wagner-Stiftung Essen und durch die Aktivitäten des Vereins zur Förderung der Kinderklinik e.V. sowie der Elterninitiative Mukoviszidose war es möglich, die Bedingungen der stationären Behandlung sowohl im Hinblick auf die räumliche Situation als auch im Hinblick auf die Diagnostik auf einen modernen Stand von internationalem Niveau zu bringen.

2008 - 2014

Die Klinik steht unter der Leitung von Professor Dr. Eckard Hamelmann.

2010 erfolgt die Berufung von Herrn Prof. Thomas Lücke (Neuropädiatrie) und Herrn Prof. Manfred Ballmann (Pneumologie).

Juli 2014 bis heute

Die Klinik steht unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Lücke (seit 2017 als Ordinariat).

August 2014

Gründung des universitären Zentrums für seltene Erkrankungen – CeSER mit Sitz in der Universitätskinderklinik.

Oktober 2014

Im Oktober 2014 wird das Institut für Kinderradiologie gegründet; es wird von Herrn PD Dr. Christoph Heyer geleitet und ist der Kinderklinik assoziiert.

Januar 2015

Einweihung der neuen 28-Betten-Station.

Die Universitätskinderklinik Bochum wird zudem Europäisches CF-Studienzentrum.

April 2016

Eröffnung der Praxis für Pädiatrische Endokrinologie (Dr. Michaela Kleber) im MVZ an der Universitätskinderklinik.

Juni 2016

Inbetriebnahme des Kinder- und Jugendmedizinischen Notfalldienstes niedergelassener Ärzte in der Universitätskinderklinik.

2017

Eröffnung der Kinderschutzambulanz der Universitätskinderklinik.

2018

Etablierung einer Stiftungsprofessur für Endokrinologie/Diabetologie mit Schwerpunkt Geschlechtsdysphorie.

2020

Eröffnung der Praxis für Humangenetik im MVZ an der Universitätskinderklinik.

2021

Baubeginn des Kolibri-Flügels für seltene Erkrankungen (Förderung durch das Land NRW).